Interview


mit Ivana Kersting

Ivana ist Grafik- & Web-Designerin, Diplom.Integrative  Energie-Therapeutin & Coach


Webseite: www.ivanakersting.de/, www.ivadesign.com



"Die Frau, die ich heute bin, war schon immer in mir - sie war nur bedeckt mit Anpassungen und Erwartungen von anderen Männern, Frauen oder von mir selbst. Ich habe sie nicht neu definiert oder gestaltet, ich habe sie nur befreit."

Weiblichkeit ist für mich mein ganzes Wesen in seiner Schönheit und Natürlichkeit. Es ist die bedingungslose Liebe zum Leben mit all seinen Facetten und die Freiheit, das zu sein, was ich wirklich bin.


Der Weg zu Weiblichkeit ist der Weg zu unserem wahren Selbst - ein wundervolles Abenteuer. Es ist, mich selbst zu empfangen, mit tiefer Selbstliebe. Die Frau, die ich heute bin, war schon immer in mir - sie war nur bedeckt mit Anpassungen und Erwartungen von anderen Männern, Frauen oder von mir selbst. Ich habe sie nicht neu definiert oder gestaltet, ich habe sie nur befreit. Und tue es immer noch.
Viel mehr Frauen als Männer gehen den Weg der Selbstfindung und ich glaube, es gibt gute Gründe dafür. Einerseits haben wir einen natürlicheren Zugang zum Fühlen, das für die persönliche Entwicklung so wichtig ist. Aber noch wichtiger finde ich, dass in Weiblichkeit ein tiefes Urvertrauen in das Leben und in das innere Licht steckt, das uns oft gar nicht bewusst ist. Dieses Vertrauen trägt uns - wie bei einer Geburt - durch den Schmerz und durch das Unbekannte in die Erneuerung und Neuentdeckung, bis zur ursprünglichen Frau, die wir gemeint sind, zu sein. Weiblichkeit ist für mich diese Einheit von Licht und Schatten; die große Umarmung von dem, was ist; die unglaubliche Kapazität, die Fülle der Schöpfung in sich zu tragen und so sich selbst und das Leben in Ganzheit zu empfangen.


Welche unangenehmen Gefühle sind oder waren mit deiner Weiblichkeit verbunden, und welche Erlebnisse hatten zu diesen Gefühlen geführt?


Ivana: Ich war ein traumatisiertes Kind und fühlte mich sehr unwohl in meiner Haut. Es war nicht schön, ich zu sein.
Oft war ich dissoziiert von meinem Körper und habe Übergewicht entwickelt. Mich als Mädchen zu erleben war schmerzvoll, denn ich fühlte mich sehr weit von den weiblichen Vorbildern, die ich damals schön fand (wie Prinzessinnen oder griechische Göttinnen). In meinem Inneren herrschten Trauma, Scham und Traurigkeit.
In der späten Pubertät hat sich dann alles geändert, als ich - wie in der Geschichte vom hässlichen Entlein - plötzlich schöner (und mit einer heftigen Diät auch dünner) geworden bin. Mich schön zu empfinden und das auch von meinem Umfeld gespiegelt zu bekommen, hat mir mehr Lebensfreude und Selbstsicherheit geschenkt. Leider wurde ich ziemlich schnell mit der Realität konfrontiert, dass ich oft auf Lustobjekt und „schöne Frau“ reduziert wurde. Ich habe es erst viele Jahre später verstanden, wie ich mich dadurch einsam, nicht gesehen oder als Objekt fühlte


Welche positiven Gefühle verknüpfst du mit deiner Weiblichkeit?


Ivana: Auf dem Weg der bewussten Entdeckung meiner Weiblichkeit habe ich gemerkt, dass es für mich persönlich nur eine Weiblichkeit gibt - eben meine - authentische, besondere, einmalige, einzigartige. Ganz egal, was die Anderen darüber denken und wie sie sich definieren. Diese Authentizität, wilde Freiheit und kraftvolle Selbstbestimmung in mir zu spüren, das ist unbeschreiblich kostbar!
Auf meiner Selbstentdeckungsreise fand ich in mir die Jungfrau und die  Liebhaberin, die Mutter und die Muse, die Schöpferin und die Zerstörerin, die Weise und die Nicht-Wissende, die Kriegerin und die Heilerin, die zarte wilde freie gebende hingebungsvolle kraftvolle sanfte... FRAU. Diese Frau entdecke ich immer noch :).
Und die positiven Gefühle damit verbunden? Das sind sie alle! Wenn wir es einmal gelernt haben, Schmerz in (Selbst-)Liebe umzuwandeln, möchten wir gar nicht mehr damit aufhören!


Wie nimmst du die Beziehung zu deinem Körper wahr, und wie hat sich diese Beziehung im Laufe der Zeit entwickelt?


Ivana: Unsere tiefsten Wunden sind immer auch die Wege unseres Wachstums. So war es mit meinem Körper, der mir in meiner Kindheit so schmerzhafte Gefühle brachte. Ich bin seitdem einen langen Weg der Heilung und der Selbstfindung  gegangen. Ich habe das Rennen nach Idealen verlassen, um eine reale, normale Frau (und Mensch) zu sein. Heute (mit 54) ist die Beziehung zu meinem Körper die innigste Art, auf die ich meine Selbstliebe zum Ausdruck bringen kann. Mich auf  jeden Körperteil, jede Falte oder jeden Schmerz wirklich einzulassen, Liebe und  Akzeptanz zu spüren, mich um ihn zu kümmern, statt im Stress zu verharren - das bringt mir tiefes Glück, Kraft und Stabilität im Leben. Es gelingt mir immer wieder, mich im Hier und Jetzt als verkörperte Liebe wahrzunehmen. Dann fühle ich mich unendlich weiblich. So lebe ich am liebsten.


Auf welche Weise bringst du weibliche Aspekte in deine berufliche Tätigkeit ein?


Ivana: Auf der kollektiven Ebene sind Frauen heute (immer noch) verwirrt. Durch die Geschichte der Unterdrückung haben wir vergessen, wer wir sind, wie wir sind. Das müssen wir neu suchen, uns erinnern - privat und in der Arbeitswelt.
Frau sein bedeutet für mich authentisch sein. Sich zu befreien von äußeren Dogmen und Anpassungen, um stattdessen in sich Freiheit und Selbstbestimmung zu finden. Sich (als Frau) neu zu entdecken und sich treu zu bleiben. Ich biete Authentisches Design und Coaching, in dem es genau darum geht - eigenen einzigartigen (beruflichen) Weg zu finden und zum Ausdruck zu bringen. Der Großteil meiner  Kund*innen sind Frauen, die ihre Berufung neu definieren wollen und sich dabei  authentisch - und das bedeutet weiblich! - präsentieren möchten. Da ich den Weg selbst gegangen bin, kann ich sie mit wertschätzender Empathie und umfassendem
Wissen unterstützen. Dabei habe ich wie eine Hebamme schon unzählige Geburten begleitet, in denen sich die weiblichen Knospen in voller Blütenkraft entfaltet haben, die heute mit ihren einzigartigen Talenten andere Menschen beschenken


Wie siehst du dich selbst als Frau in Bezug auf deine Weiblichkeit?


Ivana: Heute fühle ich mich als 100 % Frau und genieße es in vollen Zügen! Wenn ich mich tief und innig mit mir selbst verbinde, meditierend in Stille oder tanzend in Freude, mit Mitgefühl und Selbstliebe im feinen Kontakt mit meiner Seele und meinem Körper, dann fühle ich einen Ozean der Weiblichkeit in mir und um mich. Dann strahlt ein Frau-Sein aus meinem Kern, aus dem, was ich bin. Eine Energie, die alles durchströmt. Ich bin diese Energie und gleichzeitig bin ich ein Teil von ihr. „Ich bin“ und „ich bin Frau“ - das ist eins und dasselbe. In ihrem Schoß und in ihren Armen darf alles sein - es darf alles bleiben, gehen, entstehen oder sich wandeln. Sie gehört dem Universum und sie ist ein Universum. Es erfüllt mich mit tiefer Freude zu merken: Diese Frau ist genau das, was ich auf allen Ebenen - körperlich, geistig und seelisch - schon immer sein wollte!