Interview


mit Angela Mahr

Angela ist Journalistin, Filmemacherin und Musikerin


Webseite: https://angela-mahr.de/


"Das Fühlen an sich ist dabei keine weibliche Angelegenheit, sondern eine zutiefst Menschliche. Männer und Frauen können gleichtief fühlen."

Auf welche Weise bringst du weibliche Aspekte in deine berufliche Tätigkeit ein?


Angela:Ich bin Journalistin und Filmemacherin, und ich mache Musik. Meine Themen sind vor allem Frieden, interkulturelle Kommunikation und der Mut zum Wandel dieser Gesellschaft. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass sich Frauen und Männer gleichermaßen diesen Themenbereichen zuwenden, vor allem auch der Geopolitik und der Auflösung ungesunder Machtstrukturen, und ich bin sehr froh, dass heute bereits deutlich mehr Frauen zum Thema Frieden sprechen und veröffentlichen als noch vor fünf Jahren. Um ungesunde Machtstrukturen, die ja letztlich zu Kriegen führen, aufzulösen, braucht es sowohl eine fokussiert-analytische als auch eine kontextbezogene Herangehensweise.

Wenn ich von weiblich oder männlich spreche, meine ich das archetypisch weibliche oder männliche in uns. Wir tragen jeweils beide Aspekte in uns, meine ich, und sind dennoch verschieden, das macht es ja so spannend. Vielleicht später mehr dazu.

Ich würde eine sehr analytisch-fokussierte Arbeitsweise als männlich bezeichnen, in welcher alle Aspekte, die von der einen wichtigen Fragestellung ablenken könnten, während der Arbeit ausgeblendet werden. Die Analyse geht dafür in die Tiefe und hält danach einer Prüfung stand.

Die weibliche Herangehensweise würde ich als kontextbezogen und vernetztend beschreiben. Das bedeutet, ich beleuchte auch das, was zudem verstanden werden muss, um die Ausgangsfrage zu beantworten.
Nur als Beispiel: Uns alle hat die Frage beschäftigt, ob die Maßnahmen der Politik während der Corona-Jahre gerechtfertigt waren. Eine fokussiert-analytische Herangehensweise untersucht beispielsweise, ob es eine Übersterblichkeit gab und wann. Eine kontextbezogene und in diesem Fall auch meine Herangehensweise war folgende: Was wurde bei dem Planspiel Event 201 in New York besprochen? Welche Medienstrategie im Falle von Pandemien wurden schon 2019 zwischen WHO, Medienkonzernen und US-Geheimdiensten beschlossen und war das alles ein demokratischer Prozess? Wenn ich also den Kontext verstehen will, dann frage ich mich, wie und von wem eine Gesellschaft beeinflusst wird. Beide Ansätze sind gleich wichtig und ich versuche, sie in meiner Arbeit zu verbinden.


Welche unangenehmen Gefühle sind oder waren mit deiner Weiblichkeit verbunden, und welche Erlebnisse hatten zu diesen Gefühlen geführt?


Angela: Das unangenehmste Gefühl, das ich mit meiner Weiblichkeit verbinde, ist berufliche Geringschätzung, Abwertung und Zensur. Das klingt vielleicht erstaunlich in unseren modernen Zeiten. Wenn ich mir aber die Strukturen an unseren Universitäten ansehe, sind diese zutiefst patriarchalisch. Zum einen handelt es sich nicht um demokratische Entscheidungsprozesse, sondern um steile Hierarchien, die extrem anfällig sind für äußere und geopolitische Einflussnahme. Zum anderen werden Disziplinen, die genau diesem blinden Fleck entegenwirken könnten, weniger hoch angesehen als klassisch analytische und naturwissenschaftliche Disziplinen.
Machen Sie einen Selbsttest: Wer spricht im Fernsehen als Experte? Wer wird dort befragt, wenn wichtige Entscheidungen anstehen? Wann sind es Frauen?
Die Menschen in Deutschland sehen immernoch durchschnittlich drei Stunden täglich fern und es hat einen entsprechend großen Einfluss. Die geringere Reichweite von kontextbezogenem Denken und Fühlen setzt sich dann im öffentlichen Raum und auch auf YouTube fort, weil die Expertinnen und Experten jeweils weniger bekannt sind. Vor allem dort, wo man, vielleicht mit den besten Absichten, versucht, durch bekannte Speaker Reichweite zu generieren, wirkt es sich weiter aus.
Harte Zensur, also beispielsweise die Löschung einer Medienanalyse von mir durch YouTube ohne passende Begründung, habe ich schon erlebt. Die weiche Zensur in unserer Gesellschaft, das Ignorieren der Frage: Was hat das Zeitgeschehen mit jedem einzelnen, mit unseren Berufen, Finanzen, Beziehungen und Abhängigkeiten zu tun? Das schmerzt mich jedoch mehr.


Welche positiven Gefühle verknüpfst du mit deiner Weiblichkeit?


Angela: Viele! Ein positives Gefühl, das ich mit meiner Weiblichkeit verbinde, ist etwas Umarmendes: Die Welt zu umarmen, Menschen, denen ich Mut zusprechen möchte, zu umarmen. Menschen, die ich liebe, zu umarmen. Es kann real geschehen oder als Gefühl. Es kann Geborgenheit und Sicherheit schenken, letztlich dann auch mir selbst.

Ein weiteres positives Gefühl ist die Freude am Miteinander. Ich entdecke gerne das Verbindende, wenn ich auf Menschen zugehe. Manchmal vertun wir Menschen wertvolle Chancen, weil wir uns zu sehr auf das Trennende fokussieren. Wenn wir das Verbindende suchen, können wir einander stärken und trotzdem Unterschiede deutlich machen. Diese Freude am Verbindenden an sich, am Miteinander, an der gemeinsamen Kreativität, an der Kreiskultur, das alles macht uns Menschen immun gegen Manipulation und ungesunde Machtstrukturen. Es ist keine zielorientierte sondern eine beziehungsorientierte Freude! Es braucht ein bisschen Zeit und Entspannung.
Und jetzt kommt's: Genau das brauchen wir für eine funktionierende Demokratie. Wir brauchen für demokratische Entscheidungsprozesse ein echtes Miteinander. Wir brauchen dazu die Ausgewogenheit weiblicher und männlicher Qualitäten.


Ich sehe es so: Das Fühlen an sich ist dabei keine weibliche Angelegenheit, sondern eine zutiefst Menschliche. Männer und Frauen können gleichtief fühlen. Es mag sein, dass viele Männer einen leichteren Zugang zu den 'feurigen' Gefühlen haben, der Freude am Tun, am Erleben, an der Auseinandersetzung mit einer Sache, und viele Frauen leichteren Zugang zu den 'fließenden' Gefühlen haben, zur Freude am Sein und am Miteinander. Vielleicht ist das eine Tendenz. Dann bin ich hier selbst aber genauso im Feuer zu Hause. Und insgesamt betrachtet fühlen wir Menschen doch von Natur aus gleichviel. Wichtig ist nur zu verstehen, dass Männern in unserer Gesellschaft - leider - das Fühlen oft sehr früh abtrainiert wird. Es ist eine Folge des Patriarchats. Wir Frauen werden für das Fühlen oft geliebt, Jungs vielleicht schon von der Mutter gerügt. Die Väter sind oft beruflich sehr eingespannt. Mit wem oder was soll der Junge sich dann identifizieren? Das ist traurig und muss sich ändern. Ich wünsche mir, dass es den Männern dann später gelingt, sich den Zugang zu ihren Gefühlen zurückzuerobern.


Wie nimmst du die Beziehung zu deinem Körper wahr, und wie hat sich diese Beziehung im Laufe der Zeit entwickelt?


Angela: Mein Körper ist mein Zuhause! Die Beziehung zu meinem Körper ist mir sehr wichtig. Ich lebe dementsprechend recht gesund und treibe Sport. Da ich mich auch körperlich möglichst nicht mit Tierleid verbinden will, esse ich fast kein Fleisch außer Fisch und kaufe tierische Produkte in Bioqualität. Da gibt es Menschen, die hier noch konsequenter vorgehen, und das muss jede und jeder mit der eigenen Gesundheit und Fitness vereinbaren.
Der Sport dient mir dazu, Druck und Stress frühzeitig abzubauen, bevor mich etwas als Anspannung oder Negativität zu beeinflussen beginnt. Dabei sind mir auch Dehnung und Entspannung sehr wichtig, im besten Fall im Winter auch das Saunieren. Auch beim Sport bringe ich also Tun und Sein möglichst in Einklang. Ich will damit sagen, dass ein rein aus dem Kopf beschlossenes Training unter Zeitdruck vielleicht gar nicht den hier beschriebenen Effekt hätte. Ich muss es fühlen, was ich beim Sport für mich tue, die Sportart ist dann zweitrangig. Wenn ich es aus dem Gefühl heraus tue, dann hat es diese reinigende Kraft.
Das sind für mich die Grundlagen, um meine körperliche Sensitivität zu wahren und weiterzuentwickeln: Egal was geschieht, in meinem Körper wohnt ein Wissen, das über Logik hinausgeht. Ich kann meinen Körper in jeder Siutation quasi fragen "was los ist" und bekomme eine Antwort. Mein Körper ist Ausdruck meiner Intuition. Er schützt mich vor Manipulation. Wenn ich meinen Körper klar wahrnehme, kann ich in dieser Welt wirken und Dinge verändern. Schon deshalb hat der Körper viel Liebe und Aufmerksamkeit verdient. Außerdem ist es eine Freude, hier auf Erden verkörpert zu sein!


Wie siehst Du Dich selbst als Frau in Bezug auf Deine Weiblichkeit?


Angela: Ich würde mich selbst als lebensfrohe und lebensbejahende Frau beschreiben! Ich bringe dem Leben eine grundsätzlich hoffnungsvolle Haltung entgegen und sehe die Vorboten des dringend nötigen Wandels wie grüne Sprösslinge in einer umbrechenden Welt. Als Frau fühle ich mich hierbei auch verletzlich, aus den schon genannten Gründen. Es scheint mir darum zu gehen, vieles sichtbar zu machen, bevor es verändert werden kann. Nur wenn ich sehe, wo überall das Patriarchat noch als Normalität gelebt und gefeiert wird, kann ich meine weibliche Kraft tatsächlich richtig einsetzen. Ich kann dazu beitragen, dass überholte Strukturen überflüssig werden. Ich kann etwas entgegensetzen, was Herz, Kopf und Bauch wieder in Verbindung bringt. Und ich kann dafür eintreten, dass gegenseitiges Töten keine Probleme löst und dass die Würde der Menschen unantastbar ist. Die Würde aller Menschen.